Niemand glaubte dem Jäger
John Colter Anfang des 19. Jahrhunderts, dass es eine Gegend gäbe, wo heißes
Wasser aus der Erde schießt und es zischt und blubbert wie in der Hölle. 1872
hatte sich die Kunde von der Besonderheit der geothermischen Wunder des „Land
of the Yellow Stone“ jedoch herumgesprochen und führte zur Gründung des einzigartigen Yellowstone National Park, dem ersten seiner Art. Zunächst hatte man damit nicht die
Bewahrung der Natur im Sinn, sondern schuf das Schutzgebiet „als öffentlichen
Park oder Vergnügungsstätte zum Nutzen und zur Freude der Bevölkerung“, wie es
in der Gründungsurkunde heißt. Erst später wurden Naturschutz und Bildung
als primäre Ziele der Schaffung von Nationalparks in den USA eingeführt.In den
Parks werden vor allem biologische, geologische oder kulturelle Ressourcen unter Schutz gestellt; eine kommerzielle Nutzung im größeren Stilistnicht
erlaubt. So auch im Yellowstone National Park. Dennoch stellt das Zusammenspiel zwischen Mensch und Ökosystem zuweilen eine große Herausforderung dar - auch weil Tiere nicht wissen, wo die Grenzen des Schutzgebiets liegen.
Der Bison ist das lebende Wahrzeichen des Yellowstone National Park, steht dort unter Schutz und stellt eine der Haupttouristenattraktionen dar. Wenn der Winter ins Land
zieht, bewegen sich die rund 5.000 Bisons, die im Park leben, auf Nahrungssuche in Richtung Norden. Außerhalb
des Schutzgebiets sind sie jedoch nicht gern gesehen. In den Augen angrenzender
Farmer stellen die bis zu 1.000 kg schweren Kolosse eine Gefahr dar, könnten sie doch die
Infektionskrankheit Brucellose auf Rinder übertragen. Daher werden sie außerhalb
des Parks zurückgedrängt oder auch erschossen. Das ist traurig. Was gut ist: Seit das Thema mehr in den Fokus der Medien gerückt ist, ist die Zahl der von Farmern getöteten Bisons stark zurückgegangen.
Der Wunsch der Farmer, ihre Rinder zu schützen, ist auch nachvollziehbar. Ebenso kann ich die Anwohner verstehen, die nicht so gut auf die Bisons zu sprechen sind: Wenn ich ein Häuschen hätte, sagen wir 10 km nördlich vom Yellowstone National Park entfernt, und hin und wieder tauchte ein Bison in meinem Vorgarten auf, wäre mir das wahrscheinlich auch nicht recht. Die Konfliktparteien suchen jedoch nach Lösungen. Umweltorganisationen wie dasAmerican Prairie Reservekaufen aktuell sehr viel Land zwischen dem Yellowstone National Park und der Kanadischen Grenze auf und versuchen gemeinsam mit Farmern und Anwohnern weitere Schutzräume und –korridore für Bisons und andere Wildtiere einzurichten.
Tourismus ist ein weiterer Faktor, der das fragile Ökosystem bedroht. Neben dem Gewinn für die Besucher stellt er eine wichtige Einnahmequelle dar, die dem Erhalt des Yellowstone National Park dient. Dessen Ausmaß wird jedochvon Umweltschützernsehr kritisch gesehen. Über vier Millionen Menschen besuchen den Park jährlich. Die meisten von ihnen scharren sich um die touristischen Hotspots wie um die berühmtesten der heißen Quellen und Geysire sowie rund um den Grand Canyon of the Yellowstone. Zu viele Menschen hinterlassen Müll, treten abseits der Wege auf die empfindliche Erdkruste und stören die Tier- und Pflanzenwelt. Insbesondere der Wintertourismus ist ein Problem für die Umwelt. Schneemobile verschmutzen die Luft und stören die Ruhe der Wildtiere. Deswegen sind sie nur noch in limitierter Anzahl zugelassen. Ob das ausreicht, ist jedoch umstritten.
Für Besucher ist leicht nachzuvollziehen, dass das das Ausmaß der Touristen den Park überfordern kann. Beispielsweise wenn man wie ich die Hauptattraktion des Parks, den Geysir „Old Faithful“, an einem gewöhnlichen Montagmorgen aufsucht. Menschen, soweit das Auge reicht – das Oktoberfest in München ist nichts dagegen. Vielleicht kann es der ein oder die andere nachvollziehen: Neben den belastenden Auswirkungen von Massentourismus auf die Umwelt nehmen mir zu viele Menschen meist die Freude an touristischen Highlights, mögen sie auch noch so interessant sein. Und richtig, das mag eine überhebliche Haltung sein, aber mir gefällt Natur eben besser, wenn sie einsamer daher kommt.
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