Die richtig blöden Sachen passieren einem beim Reisen häufig nach Einbruch der Dunkelheit und bevorzugt, wenn man in einer Gegend namens jwd unterwegs ist. Zum Beispiel ist mir auf meinem Weg zum Yosemite National Park etwas richtig Blödes passiert, was ich Euch gern erzähle:
Es ist bereits elf Uhr abends, als ich Lee Vining erreiche, das ist quasi jwd, zumindest sehr klein und nachts wie ausgestorben. Der Ort Lee Vining liegt nahe am Osteingang des berühmten Nationalparks in Kalifornien, den ich besuchen will. Hier habe ich ein Zimmer im hübschen, bunten Motel „El Mono“ gebucht. Der Zimmerschlüssel sollte nach neun Uhr abends neben der Eingangstür hängen, danach sei die Rezeption nicht mehr besetzt, hatte man mir gesagt. Nach einer langen Fahrt freue ich mich auf eine heiße Dusche und ein warmes Bett. Wie angekündigt hängt der Schlüssel in einem Briefumschlag, platziert an der vereinbarten Stelle.
In Lee
Vining am Fuß der Sierra Nevada ist es Mitte September nachts bereits richtig
kalt und so beeile ich mich, um zu meinem Zimmer zu gelangen. Zimmer neun
soll es sein, so steht es auf dem Anmeldebogen. Ich stecke den Schlüssel mit
der entsprechenden Nummer ins Schloss von Zimmer neun und versuche
aufzuschließen. Fehlanzeige. Der Schlüssel lässt sich nicht drehen und die Tür
sich nicht öffnen. Ich probiere es rund 20 Minuten, wobei mir langsam die Finger
einfrieren. Vielleicht gibt es einen Trick? Aber ich kenne das Motel ja bereits,
an Schwierigkeiten beim Türen aufschließen kann ich mich nicht erinnern. In
Zimmer sechs war noch Licht, also gehe ich rüber in der Hoffnung auf Hilfe. Ich klopfe an die Tür, aber nichts passiert. Ich schaue durch das Fenster, es ist jedoch niemand zu sehen, ebenso wenig wie persönliche Reiseutensilien. Ich betrachte meinen Schlüssel
und denke, dass die Neun auch genauso gut eine Sechs sein könnte – vielleicht ist Zimmer sechs das Zimmer, das eigentlich für mich vorgesehen ist? Also ausprobieren: Ich stecke den Schlüssel ins Schloss von Zimmer sechs, drehe ihn um, und tatsächlich, die
Tür öffnet sich! Hochzufrieden mit mir und meiner geistigen Findigkeit betrete ich die Nummer sechs. Es ist größer als das, was ich gebucht hatte, und das Bad sah
auch nicht hundertprozentig „gemacht“ aus. Aber hey, egal, ich muss nicht bei
Minusgraden im Auto übernachten. Ich packe also aus und ziehe meine Nachtkleidung an. Als ich es mir gerade so richtig gemütlich gemacht habe,
geht plötzlich die Tür auf und zwei fremde Menschen stehen im Zimmer.
Was für ein Schock – aber nicht nur für mich. Nach einigen Erklärungen stellt sich heraus, dass die beiden fremden Menschen Schwester und Bruder sind, die eigentlichen „Besitzer“ von Zimmer Nummer sechs. Sie wollten im Yosemite National Park campen, sind aber wegen der gefallenen Temperaturen doch lieber zu ihrem vorsorglich gemieteten Motelzimmer zurückgekehrt, in dem sich nun jemand anders eingenistet hatte. Plötzlich sehe ich meine Felle wieder davon schwimmen, genauer gesagt, rückt die Übernachtungsoption „eiskaltes Auto“ erneut in meinen Fokus. Die beiden erkennen meine Lage, erbarmen sich meiner und bieten mir einen Platz auf ihrem Zimmerfußboden an. Dank meiner Thermarest-Matte war das sogar eine sehr komfortable Lösung. Unglaublicherweise haben sie auch noch jede Menge Rotwein dabei und ein schier unerschöpfliches Reservoir an Geschichten auf Lager. Was soll ich sagen? Die Zeit verfliegt wie im Fluge und ich werde Sabrina und Derrek immer dankbar sein für ihre Gastfreundschaft in einer eiskalten Nacht in der Sierra Nevada. Am nächsten Morgen, treffe ich die Besitzerin Kelly im zum Motel gehörigen Café: Ihr ist das Versehen hochnotpeinlich und es gibt für uns drei Frühstück satt auf Kosten des Hauses. Gleichzeitig freuen sich alle darüber, dass es Menschen gibt, die so etwas Nettes für einen tun und eine fremde Person in ihrem Zimmer übernachten lassen. Derrek hat dazu nur einen trockenen Kommentar abzugeben: „Naja, sie hatte ja keine Klauen und kein Fell, daher schien die Gefahr nicht so groß zu sein.“
Allein reisen als Frau
– für viele nicht vorstellbar. Zugeben, ich erlebe dann die skurrilsten Sachen. Gerate ich
manchmal auch in heikle Situationen und trete unvorbereitet in Fettnäpfchen? Na
klar, das kommt vor, ist aber meist nicht so schlimm! Grundsätzlich wichtig für Euch als allein reisende Frauen ist aus meiner Sicht folgendes -- und gilt natürlich auch für alle anderen:
2. Nehmt Hilfe an!
3. Vorsicht, wenn Ihr als alleinreisende Frau eingeladen werdet: Schaut Euch die Leute genau an
4. Vermeidet Missverständnisse und bleibt lieber distanzierter, wenn Ihr Euer Gegenüber nicht einschätzen könnt
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